Eulen nach Athen fahren…

Die Welt arbeitet global verteilt, meine Arbeitsstelle ist da nicht anders. Seit vielen Jahren haben wir Kollegen in Indien. Einer dieser Kollegen kam als Impat für eineinhalb Jahre zu uns nach Deutschland. Ein netter und freundlicher Kollege, zurückhaltend und zuvorkommend. Ein angenehmer Mensch mit Manieren und Taktgefühl, die weit übertreffen, was meine deutsche Arbeitswelt im Alltag gewohnt ist.

Nach fast einem Jahr kam er uns für eine Schulung wieder besuchen. Es war, als würde man einen alten Freund wieder treffen, auch wenn es nur ein Jahr war seit er zurück nach Indien gegangen war. Er wusste, dass ich eine Ape Calessino fahre – das, was man in Indien eine „Auto Rickshaw“ nennt. Manchmal gekürzt auch „Auto“ oder „Threewheeler“. Aber nicht etwa „TukTuk“ – dieser Begriff wird eher weiter östlich in Asien (Sri Lanka, Thailand, den Philippinen) und auf dem afrikanischen Kontinent genutzt.

Wir waren die letzten Beiden m Büro und würden das Büro gleich leer hinterlassen. Sein Hotel ist am anderen Ende der Stadt.

„How will you get to your your hotel today?“ wollte ich wissen.

„I will take the bus or walk, but I will meet someone in town first“.

Ich bot ihm an, dass ich ihn absetzten könnte. Natürlich nahm er nicht sofort an:

„But isn’t that the opposite direction from your destination? I do not want to hold you up.“

Nein, kein Problem – die Calessino ist dafür gemacht, Leute irgendwo hin zu bringen! Und so stiegen wir ein. Beim Ausparken bemerkte ich im Rückspiegel hinter mir ein Mobiltelefon, das unauffällig ein Photo machte. Dunkle Finger glitten akkurat über das Display. Eine Nachricht mit dem Bild flog vermutlich halb herum um die Erde.

Eine Auto Rickshaw ist ein Teil des staubigen Alltags im alltäglichen indischen Chaos, das sich Straßenverkehr nennt. Ein pragmatisches Fortbewegungsmittel, kein Lifestle. Mein Kollege gehört zur neuen indischen Mittelschicht, er besitzt ein eigenes Familienauto. Eine Auto Rickshaw ist nichts erstrebenswertes. Eine Fahrt als Inder in indischem Blech mit einem deutschen Chauffeur durch eine deutsche Stadt – das wiederum ist offensichtlich dann doch ein Erlebnis!

Drucklos unglücklich

Eigentlich sollte ich ganz glücklich sein, denn trotz Corona und seinem Drum und Dran wurde mir eine nagelneue Calessino 200 auf den Hof gestellt. Nun, nicht genau auf meinen Hof, denn die blaue Ape soll ein Geschenk zum runden Geburtstag werden. Sie wurde also still und heimlich zu meiner Mutter vor das Haus geliefert. Ich bin also ein nagelneuer APE-Besitzer. Na ja, ganz „neu“ ist sie nicht. Ich bin froh, dass ich noch eine dunkelblaue bekommen konnte. Die Farbe nennt sich „Charming Blue“ und in dieser Farbe gibt es die Calessino 200 seit einiger Zeit nicht mehr. Sie wird also eine Weile gestanden haben. Aber von einem dunklen Blau weiß ich, dass es gut ankommen wird – und mir gefällt es auch.

Da ist sie ja! Die nagelneue Ape kommt ungesehen im Internet gekauft Huckepack auf einem Transporter.

Ich sollte ein glücklicher Besitzer sein, bin es aber gerade überhaupt nicht: Angeliefert wurde die Biene mit 7 km auf der Uhr und bei 10 km ist sie bereits kaputt!

Bei der ersten Fahrt bin ich erfolgreich den Berg hinauf bis zur Tankstelle gekommen. Es ging nicht mal ein halber Liter rein. Auf dem Weg den Berg runter nach Hause muss die Ölkontrollleuchte angegangen sein. Bei meiner ersten Fahrt mit einer Ape überhaupt habe ich auf alles Mögliche geachtet beim Fahren – nur nicht auf Kontrollleuchten. Als ich nach drei Kilometern Fahrt das Dreirad in der Garage meiner Mutter verstecken will, fällt mir die Lampe auf.

Ich wusste ja, dass ich nicht nur ein Fahrzeug, sondern gleich ein weiteres Hobby kaufe. Aber das ging jetzt echt schnell und drastisch los!

Bei Anlieferung hat die neue Ape gerade mal sechs Kilometer auf dem Zähler und die Welt ist noch in Ordnung. Die Öldruck-Leuchte leuchtet zwar, aber das ist in Ordnung so: Der Motor ist aus (zu sehen an der ebenfalls leuchtenden Ladekontrolle für die Batterie).

Leider hat mein Händler vergessen, ein Bordhandbuch mit auszuliefern, so dass ich überhaupt nichts nachschlagen kann. Mein Verdacht: Zu wenig Öl drin, das ist jetzt im Motor unterwegs, und wo sie mit abgeschaltetem Motor schräg gestanden hat, fehlt jetzt was.

Ich habe also erst mal Öl geholt vom Typ „nach Gefühl“, also ein 10W40 für Roller, Spezifikation SG. Nach einigem Suchen habe ich dann allein den Motoröl-Messstab gefunden. Mal ehrlich: Wie soll man denn da drankommen? Das Ergebnis: Wenn ich den Pin ganz eingeschraubt habe, dann liegt der Ölstand nach langer Motorruhe (d. h. „kalt“) genau auf der oberen Grenze des „XX“-Bereichs.

Fragen über Fragen: Wie soll das Öl gemessen werden? Welches Öl gehört rein?

Was könnte es sonst sein? Vielleicht ein Kabel nicht richtig gesteckt, das während der Fertigung nicht richtig gesteckt wurde und sich bei der Fahrt „abgewackelt“ hat? Ich weiß, dass so etwas passiert. Ein defekter Öldruckschalter? Ein defektes Kabel? Oder vielleicht eine defekte Ölpumpe? Das wäre echt was.

Die APE soll meine Frau dann zum runden Geburtstag bekommen. Das wird ein wenig komisch, fürchte ich: „Viel Spaß mit der Ape, Schatz.“ „Aber Du kannst noch nicht damit fahren: Sie ist kaputt.

Wenn es alles nichts hilft, dann wird die Blaue wirklich erst mal als Immobilie verschenkt. Und dann kommt die Assistance von Piaggio auf Garantie, denke ich? Das habe ich mir echt anders vorgestellt.

Wie soll der Ölstand sein? Wird der mit eingeschraubtem oder aufgelegtem Gewinde gemessen? Keine Ahnung. Ich vermisse mein Handbuch! Es hilft mir also wieder nur der Instinkt: Etwas mehr Öl ist weniger schlimm als etwas zu wenig Öl – also kippe ich ein wenig dazu, der Messstab zeigt ein paar Millimeter mehr an. Motor an – und die Öldrucklampe bleibt an. Einmal kurz etwas Drehzahl, damit die Pumpe etwas mehr Volumenstrom erzeugt: Lampe bleibt an! Dann lieber schnell wieder aus.

Für heute geht mit einem unguten Gefühl die Klappe der Fertiggarage zu: Was auch immer in den nächsten Tagen noch kommt: Es ist auf jeden Fall mehr Ärger damit verbunden, als ich erwartet hätte – sogar mehr, als ich befürchtet hatte.

Da steht sie nun mit Ihrer Schleife auf dem Dach, die unbewegliche Biene.
Sie wartet auf bessere Zeiten: Auf welche mit Öldruck, wenn sie dann auch mal fahren kann.