2000 km

Heute war es soweit: Die zweite Stelle des Kilometerzählers der Ape drehte zum zweiten Mal! Die Ape hat Ihre ersten 2000 km hinter sich.

Bei meinem ältesten Auto mit inzwischen 18 Jahren und über 400.000 km auf der Uhr hätte ich keine Bedenken, an einem beliebigen Morgen den Zündschlüssel umzudrehen und problemlos 1000 km an einem Tag zu fahren. Bei der Ape kommt mir das Erreichen einer runden 1000 vor wie ein kleines Ereignis. Ape fahren verschiebt die Wahrnehmung.

Was ist passiert in den letzten 1000 km? Eigentlich nicht viel – und das ist durchaus positiv gemeint. Nach der ersten Wartung bei 1000 km habe ich den Scheibenwischer ab- und angebaut, damit er nun in Ruhelage gerade steht. Die Ape hat einen Unterbodenschutz bekommen.

Ausgefallen ist nichts, kaputt gegangen ist nichts. Die Ape ist jedes Mal problemlos angesprungen. Manches mal ein wenig gequält, aber das scheint normal und von der Tagesform abhängig zu sein. Wovon es genau abhängt, habe ich noch nicht herausgefunden. Der Motor scheint mir jetzt eingefahren zu sein. Die Ape läuft ein wenig freudiger und dabei ein paar km/h schneller am Berg und in der Endgeschwindigkeit. Der Verbrauch ist ein wenig gesunken. Ob es am Motor oder meiner gewachsenen Erfahrung als Fahrer liegt?

Es waren erfolgreiche und freudige und unerwartet problemlose 1000 km.



Sicherlichkeit

Wenn ich mit Leuten aus der und über die Ape ins Gespräch komme, dann kommt oft auch diese eine Frage irgendwann auf:

„Ist denn das auch sicher?“

Die ehrliche Antwort lautet: Sicher nicht! Allerhöchstens ein ganz wenig sicher. Sagen wir verniedlicht also: „Sicherlich“.

Jetzt muss man als Referenz erst mal herausfinden, was so ein Mensch mit „sicher“ eigentlich meint: Ein Auto. Vermutlich ein modernes Auto. Und die sind ziemlich sicher für die Insassen: Ein Rad an jeder Ecke, schwer, außen hart und innen ganz weich – mit geschäumten Armaturenbrettern und Airbags für Kopf, Schulter, Knie und Baby-Zeh. Dazu eine Armada von Assistenzsystemen, dass die erste englische Elisabeth es mit der Angst zu tun bekommen hätte.

Nein, im Vergleich ist die Ape nicht sicher: Die Struktur der Ape aus gepressten Blechen ist weder längs-, noch quer- und schon gar nicht torsionsstabil. Eine Knautschzone gibt es nicht – knapp vor dem großen Zeh des Fahrers dreht sich schon das Vorderrad. Weiter vorn ist nur noch Luft. Die Türen der Ape sind eigentlich nur Rahmen aus Stahlrohr, in der Mitte ist nur Segeltuch. Das Dach genauso.

Würde sich die Ape übeschlagen – ich wäre nicht einmal sicher, ob der Rahmen der Frontscheibe standhalten würde. Würde ein Fahrzeug von der Seite in die Ape hineinstoßen – erst der Zentralträger in der Mitte des Fahrzeugs würde einen nennenswerten Widerstand bieten. Die Hälfte des Fahrers und ein Passagier wären dann schon verloren. Es gibt keinen stabilen Querträger, der die Karosserie gegen seitliche Einwirkung aussteifen würde. Fällt etwas von oben auf die Ape, was schwerer als eine überladene Brieftaube ist, hat das Stoffdach und die dünnen Rohre des Verdecks dem nichts entgegen zu setzen.

Eigentlich müsste man in oder auf der Ape einen Helm tragen. Zumindest aus der Erkenntnis der Gefahrenanalyse heraus. Damit man genau das nicht aus rechtlichen Gründen muss, dafür hat sich Piaggio die lustigen Stofftüren ausgedacht! Denn…

„in der Bundesrepublik besteht seit 1976 […] eine Helmpflicht im Straßenverkehr für Fahrer und Beifahrer von Krafträdern und offenen drei- oder mehrrädrigen Kraftfahrzeugen ohne Sicherheitsgurte ab einer bauartbedingten Geschwindigkeit von mehr als 20 km/h (§ 21a Abs. 2 StVO).

https://de.wikipedia.org/wiki/Helmpflicht

Die Calessino verfügt über drei Beckengurte – und da es ja ein im ganz weit ausgelegten Sinn auch so etwas Ähnliches wie ein „Dach“ und „Türen“ gibt, ist es auch kein „offenes“ Dreirad mehr. Und schon entfällt die Helmpflicht!

Einen weiten, womöglich funktionalen Sinn scheinen die Türen nicht zu haben – schließlich hatten die indischen Varianten bisher keine. Sie fuhren auch ohne Türen ganz prima und im Alltag auch praktischer. Aber auch in Indien muss sich an der Gesetzgebung etwas verändert haben, denn auch dort hat die „Ape City“ inzwischen zumindest hinten halbhohe, feste Plastiktürchen bekommen. Das es nicht etwa ein unwahrscheinlicher Sicherheits-Fetisch von Piaggio ist, sieht man daran, dass Erz-„Mitbewerber“ Bajaj inzwischen das Gleiche tut.

Nun, mit den Beckengurten sind wir jetzt in der Tat über den ersten Punkt auf der Haben-Seite der Sicherheit gestolpert. Sie sorgen dafür, dass man zumindest nicht aus dem Fahrzeug geschleudert wird, wenn es sich denn mal überschlägt oder zerknüllt. Auf das Hartplastik-Armaturenbrett schlägt man mit dem Kopf im Zweifelsfalle nur wenig härter auf als auf den Lenker aus Stahl. Oder man trifft auf einen der unverkleideten Stahlholme.

Airbags gibt es in der Ape genau so viele wie Brustgurte, Gurtstraffer und Gurtkraftbegrenzer: Für jeden der drei Passagiere genau keinen.

Wenn ich bei der Ape bei einer Vollbremsung ausweichen möchte und daher nicht will, dass die Räder blockieren – dann lasse ich einfach die Bremse los. Das war früher bei Autos auch nicht anders. Ältere Menschen über 40 Jahren werden das wohl noch kennen.

Mit dem modernen Konzept eines Personenkraftpanzer der SUV-Klasse kann sich die Ape in Sachen Sicherheit nicht messen. Er ist vielleicht noch mehr selbst das Problem, als die Ape selbst: Wenn 2,5 t Stahlbrumme mit Crashstrukturen auf Hüfthöhe auf die Ape stoßen, dann geht der Kampf aus wie der eines 4-jährigen gegen Muhammad Ali. Egal, ob der Knirps eine schnelle Rechte hat.

Ob man es glaubt oder nicht, so findet man doch ein paar Argumente für die Ape im Gegensatz zum Auto. Es sind die Punkte, an die man nicht sofort denkt: In der Ape habe ich rundherum einen erstklassigen Blick auf den Verkehr. In den meisten modernen PKW hat man dagegen einen Rundumblick wie im Tiefbunker.

In der Ape beschlägt mangels geschlossener Kabine nie meine Scheibe. Die Sicht ist immer gut. Und wenn es mal richtig eng wird zwischen parkenden Autos am Straßenrand und dem Gegenverkehr – mit der Ape finde ich meist einen Weg um noch sicher hindurch zu flutschen.

Man braucht eine andere Referenz für die Sicherheit der Ape. Ich wähle am liebsten die eines Motorrollers: Die gefahrenen Geschwindigkeiten sind genauso vergleichbar wie die Benutzerprofile.

Für die Ape sprechen jetzt auf einmal ganz handfeste Vorteile:

  • Sie fällt nicht einfach um, wenn ich nicht aufpasse!
  • Auch wenn sie bei Glatteis rutscht, bleibt bei der Ape zuverlässig die Gummiseite unten und das Segeltuch oben.
  • Ich kann die Bremse bedenkenlos voll betätigen, ohne Angst zu haben, gleich auf dem Asphalt zu liegen.
  • Im Regen habe ich kein Beschlag-Problem wie im Helm und dazu auch noch einen Scheibenwischer, der mit das Sichtfeld frei räumt.
  • Dinge bis zu einer gewissen Härte und eines bestimmten Gewichts hält mir die Frontscheibe von Kopf und Hals fest. Auf einem Motorroller fliegen sie mir ungefiltert an den Helm. Beo offenem Visier gleich ins Gesicht.
  • Ich habe zumindest einen Ansatz einer Blechwanne um mich herum, die Dinge wie niedrig hängende Zweige, Gischt, Steinschlag und Passanten auf Abstand hält.
  • In der Ape habe ich gleich zwei schlappe Frontscheinwerfer statt einer einzigen, zweifelhaften Funzel. Ich habe wirklich selten einen Motorroller mit brauchbarem Frontscheinwerfer gesehen. Es gibt zwei Rücklichter, zwei Bremslichter – und im Härtefall sogar ein Warnblinklicht!

Für einen Motorroller sprechen eigentlich nur seine bessere Agilität im Verkehr und der zusätzliche Schutz des Kopfes durch einen Helm. Vielleicht auch des restlichen Körpers, falls man zu den wenigen Rollerfahrern gehören sollte, die Schutzkleidung zur Fahrt anziehen.

Als Fazit kann man sagen: Die Sicherheit der Ape liegt irgendwo auf dem Niveau eines Motorrollers. Ein vernunftbegabter Durchschnittsbürger kann es jahrelang machen, ohne notwendigerweise dabei umzukommen.

Es gibt sicher gefährlichere Methoden am Straßenverkehr teilzunehmen: Nachts Fahrrad fahren ohne Licht, Badeschlappen und Shorts auf dem Sportmotorrad, ein Quad, betrunken auf der Straße einschlafen oder einfach spazieren gehen im Schalke-Trikot im Dortmunder Norden.

Alles in allem bleibt aber zu sagen: Wenn jemand die Frage stellt, ob die Ape denn auch sicher ist, dann gehört er definitiv nicht zu den Menschen, die eine Ape fahren würden.

Versatzstück

Eine Sache über die Ape ist mir neulich klar geworden: Die Ape ist mit Ihrem einzigen Vorderrad deutlich labiler in der Kurvenfahrt als ein Auto!

Klar, das klingt jetzt nach einer Binsenweisheit. Aber ich meine nicht, dass sie eher kippt wegen der kleinen Aufstandsfläche oder des kleinen Abrollumfangs eher in Schlaglöchern hängen bleibt.

Nein, die Erkenntnis kam mir bergab, nach dem Durchfahren einer Autobahnunterführung. Es geht dort flott mit mehr als 50 km/h durch eine Kurve. In der Kurve ist aber eine Bodenwelle. Und außen entlang der Kurve ist eine Gartenmauer…

Vorsicht vor Bodenwellen in schnellen Kurven mit der Ape!

Fahre ich mit meinem Auto flott um eine Kurve, dann passiert auch bei Bodenwellen meist nicht viel. Federung und Dämpfung sorgen für Haftung. Wird das Fahrwerk unruhig und ein Rad springt, dann hält mich das zweite Rad leidlich in der Bahn. Selbst wenn es mein Auto beim Überfahren der Welle ein wenig nach Außen versetzt, so tut es dass in kurzer Folge erst vorn und dann hinten. Der Winkel ändert sich kurz – aber nachdem die Hinterräder „über den Berg“ sind habe ich die gleiche Fahrtrichtung wie vorher – nur etwas weiter außen.

Bei der Ape ist das nicht so. Über die Bodenwelle wird mein Vorderrad erst komprimiert und beim abrollen wird der Anpressdruck dann gering. Das Vorderrad versetzt plötzlich stark nach außen! Zwar passiert hinten das Gleiche, aber die Kräfte beim überrollen verteilen sich auf zwei Räder und fallen damit geringer pro Rad aus. Bei der Fahrt über die Bodenwelle versetzt das Heckund die Fuhre versetzt deutlich weniger. Jetzt zeigt die Vorderradnase deutlich mehr nach außen und die Gartenmauer kommt kuschelig nahe.

Mehr Lenkwinkel am Vorderrad soll es richten und der indische „MITOS“-Reifen vorn quietscht leicht und verwindet sich fühlbar. Es klappt und der Fahrzustand endet unspektakulär geradeaus.

Die Erkenntnis steckt jetzt fest im Hirn: Vorsicht vor Bodenwellen in schnellen Kurven mit der Ape. Das war mir vorher so nicht so bewusst.