Mein erstes Mal

Irgendwann ist immer das erste Mal. Man ist etwas aufgeregt und weiß, man betritt jetzt eine neue Welt aus Handlungen und Gefühlen, die man sich bisher nur in der Phantasie ausgemalt hat. Die Welt neuer Eindrücke wartet auf mich und doch bin ich angespannt wegen des großen Unbekannten. Außerdem ist da der Leistungsdruck, der Anspruch an mich selbst, es direkt von Anfang an richtig gut zu machen!

Mein erstes Mal war an einem warmen Oktoberanfang. Und es lief, wie es bei den höchsten Erwartungen halt oft läuft: Es fühlte sich gleich am Anfang nicht so toll an und Ernüchterung kam auf. Im Stand ist die blaue Ape gleich zweimal langsam ausgegangen. Also nicht einfach so, sondern langsam und nach einiger Zeit. Sie sprang gut an, töffelte dann vor sich hin – und nach ein, zwei Minuten wurde die Drehzahl weniger und weniger, bis der Motor stehen blieb. Aber es war zum einen recht heiß und zum anderen war der Tank nur zu rund einem Drittel mit Benzin gefüllt, das dazu vermutlich auch sehr alt war. Schauen wir also erst mal, wie das mit frischem Sprit aussieht.

Im Handbuch steht, man soll sie einmal im Monat bei Nichtgebrauch eine Viertelstunde lang laufen lassen? Vielleicht aus dem Grund, dass überall mal frischer Sprit in die Leitungen und die Einspritzung kommt. Ist das vielleicht noch ein Ratschlag aus der Zeit, als es Vergasermotoren gab? Oder rostet sonst der Kolben fest? Ehrlich, das macht doch keiner, oder?

So einige andere Dinge im Handbuch passen auch nicht zu dieser Version Ape. Immerhin habe ich jetzt überhaupt mal eines im ausgelieferten Fahrzeug, da bin ich schon mal froh!

Aber von vorn: Spontan habe ich bei dem guten Wetter heute die Calessino genutzt, um zwei Winterräder zum Reifenhändler zu bringen – die passen in einen Fußraum der Rückbank, so dass auch noch ein Passagier mitfahren konnte. Dann auf dem Rückweg noch den Großen von der Schule abgeholt – mit Kindersitz auf die Rückbank, eine Isofix-Halterung gibt es aber nicht. Der Schul-Rucksack oder andere Dinge (wie z. B. Einkäufe) passen auch gut in den linken Fahrerfußraum. Da ist ja kein Pedal und auch sonst nirgendwo nichts, was man blockieren könnte. Fühlt sich komisch an, sich als Fahrer den Fußraum vollzubauen – ist objektiv betrachtet aber problemlos!

An das Fahren muss ich mich erst gewöhnen: Am meisten irritiert mich als Motorradfahrer, dass ich keine Vorderradbremse am rechten Griff habe! Beim Anhalten will ich immer ins Leere greifen. Aber es gibt halt nur eine Betriebsbremse, die auf alle drei Räder wirkt. Und die wird mit dem Pedal bedient.

Der Blinkerschalter ist rechts am Lenker – genau auf der anderen Seite im Vergleich zu meiner BMW. Wer hat sich das denn ausgedacht?

Die Bremse ist wohl noch nicht eingeschliffen – sie rubbelt noch etwas und bremst noch nicht wirklich gut. Eher etwas für Grobmotoriker.

Beide der BMW F650 GS ist der Schalter für den Blinker links, bei der Calessino 200 dagegen rechts. Beide haben zwar einen Lenker, aber wo bei der BMW die Vorderrad-Bremse ist, ist bei der Ape – nichts. Das braucht wohl noch eine Weile der Gewöhnung!

Eins wurde beim Fahren auch schnell klar: Man fällt mit dem Gerät auf wie ein bunter Hund. An einem Kreisverkehr hat mir eine Frau im BMW (sic!) die Vorfahrt überlassen – wohl aus Überraschung, das Calessino zu sehen. Das hat sie bergan genau 15 s später wieder bereut. Ich habe sie bei nächster Gelegenheit freundlich vorbeigelassen …

Als der Kleine aus dem Kindergarten kam, hat er Mama, Papa und seinen Bruder gesehen. Das war aber alles egal: „Da! Da!“ Die Ape war es. Dann kletterte er sofort rein, Lenker in der Hand, und machte lustige Motorgeräusche nach. Es ist ein Fahrzeug für alle Generationen. Den Schlüssel hatte ich abgezogen und die Handbremse fest (!) angezogen. Vorher hatte ich auf dem Hof vom Reifenhändler schon mal aus Versehen das Gefährt umgeparkt, ohne die Handbremse zu lösen. So viel also zur oben benannten Bremswirkung …

Mein Blick war immer wieder bei den Kontrollleuchten – aber alle bleiben aus. Springt gut an, fährt gut – na ja, nicht wirklich „gut“ im allgemeinen Verständnis. Halt so, wie ein untermotorisiertes Dreirad. Aber das ist ja Sinn der Sache.

Grundsätzlich: Laut ist das Ding! Unterhaltungen sind schwer zu führen. Die Geräuschkulisse und die gebotene Geschwindigkeit stehen in keinem angemessenen Verhältnis zueinander. Etwa vergleichbar mit einem 50-cm³-Roller mit Helmut Kohl als Fahrer.

Mit dem Getriebe stehe ich noch ein wenig im Konflikt: Der erste Gang ist so kurz – ich glaube, ich fahre lieber gleich im 2. Gang an, wenn es nicht bergauf geht. Der Erste ist ja eh kurz nach dem Anfahren schon ausgedreht.

Den Sprung zwischen 2. und 3. Gang finde ich viel zu groß! Bei uns am Berg dreht sie im 2. Gang weit über dem max. Drehmoment und im 3. so niedrig, dass sie zu wenig Kraft hat.

Zwischen dem 3. und 4. Gang habe ich noch eine Lücke mit „Leerlauf“ gefunden. Die habe ich schon mehrfach gefunden. Vielleicht habe ich einfach zu zärtlich am Schalthebel gedreht?

Die Gänge krachen grundsätzlich beim Schalten. Ich kann da nichts machen. Zurückschalten mit Zwischengas habe ich auch noch nicht raus – es kracht trotzdem.

Nach den ersten 40 km tönt bei Erwachsenen und kleinen Mitfahrern unisono die gleiche Kritik: Es zieht ihnen zu sehr auf der Rückbank! Vorn hinter der Scheibe finde ich es dagegen sehr angenehm.

Vielleicht schaue ich mal nach Regentüren. Für die „neueren“ 200er Calessino ab Modelljahr 2017 sollen die geändert worden sein, denn jetzt gibt es ja einen „Knick“ in den vorderen Türen. Die alten Regentüren sind zu kurz. Und dazu sind die neueren Stofftüren natürlich auch gleich deutlich teurer geworden. Schauen wir mal.

die Vordertüren der Calessino 200 ab Modelljahr 2017 haben einen Vertiefung. Daher passen dort nur die geänderten, teureren Stofftüren. Trotz des geschlossenen Dachs zieht es auf den hinteren Sitzen sehr.

Wer nicht schmiert, der nicht gut fährt

Es gibt Neuigkeiten von der Ape: Der Händler, bei der das Bienchen steht hat den Öldruck geprüft und den Öldruckschalter gewechselt. Vermutlich anders herum: Erst den Öldruckschalter getauscht – und als das nichts brachte dann gemessen.

Das Ergebnis ist niederschmetternd: Der Öldruck beträgt schwankend zwischen 0,0 und 0,2 Bar. Eigentlich sollten es mehrere Bar sein. Im Ölfilter finden sich viele Metallspäne. Das ist ein Zeichen, dass die Ölpumpe nicht funktioniert. Das ist insofern ein Problem, als dass einige Lager in so einem Motor erst durch den Druck des Öls funktionieren: Es sind hydrostatische oder hydrodynamische Lager. Ist kein Öldruck da, dann reiben Wellen an Lagerschalen, die sich normalerweise nur im Ruhezustand berühren sollten. Wie weit das zu Schäden führt, ist schwer zu sagen. Aber Späne im Ölfilter müssen einen Herkunftsort haben. Interessant wäre, welches Material es war, dadurch könnte man auf bestimmte Herkunftsorte schließen. So gut kenne ich den Motor der Ape aber nicht – und letztlich ist es mir auch egal. Späne gehören in keinen Motor. Erst recht nicht bei einer Laufleistung von 11 km!

Meine Vermutung ist: Der Motor ist vor dem Zusammenbau nicht ordentlich gespült worden. Oder die Ölpumpe ist ein Frühausfall, die Badewanne von Herrn Weibull lässt herzlich grüßen. Auf jeden Fall dürfte es eindeutig ein Fertigungsfehler sein.

Ich würde sogar sagen: Eigentlich gehört der Motor getauscht oder zerlegt. Woher soll man wissen, wo überall Späne stecken und ob jedes Lager geschmiert wird? Zu den Lagern des Kolbens, der Kurbelwelle und der Nockenwelle führen Ölkanäle. Dünne Bohrungen oder Leitungen, die das Öl zu den Lagern führen. Steckt dort ein Span drin, dann kann es sein, dass der Durchfluss durch die Leitung vermindert ist und am Lagerort der Druck nicht ausreicht. Das kann dazu führen, dass nach hunderten oder tausenden Kilometern dort das Lager verschleißt. Das wäre weit nach der Garantiezeit. Ein Klassiker für Lagerschäden durch verengte Öldruckleitungen ist der PSA DV6 Motor, bei dem das Lager des Turboladers zerstört wird. Mein Nachbar hatte so einen in seinem Citroen Berlingo. Es war das Ende dieses Autos (zumindest in seinem Besitz).

Jetzt fängt der Spaß dann wohl an:

Der Händler, bei dem die Ape jetzt steht hier will das Fahrzeug vom Hof haben und möglichst nichts daran machen.

Der Händler, von dem ich es gekauft habe, will die Ape möglichst nicht auf seinen Hof bekommen und die Piaggio Assistance will es auch nicht quer durch die Lande schleppen.

Das kann ich alles sogar nachvollziehen – aber ich will die Ape auch nicht selbst reparieren. Vermutlich dürfte das auch nachvollziehbar sein.

Dazu kommt noch die Struktur bei Piaggio: Die Vertragshändler im Norden und im Süden von Deutschland werden von unterschiedlichen Personen bei Piaggio betreut – ich glaube es kann jetzt echt spannend werden, die Ape steht bei einem Händler im Bereich Nord, gekauft wurde sie in Süddeutschland.

Das Telefonkarussell wird sich noch ein paar mal weiter drehen. Nur an der Hotline von Piaggio selbst dreht es sich nicht. Die spielen nämlich nicht mit – da geht keiner dran.

Ich bin gespannt, wie es weiter geht – aber auch ein wenig frustriert. Im Moment gehe ich alle möglichen Optionen durch: In meiner Erinnerung ist es so, dass man dem Händler drei Möglichkeiten der Nachbesserung geben muss.

Aber in Vorbereitung des nächsten Schritts habe ich mich heute wegen einer Rechtsberatung an den ADAC gewandt – mal sehen was die meinen, was die sinnvollste Vorgehensweise ist. Ich bin gespannt wie diese Geschichte weiter geschrieben wird.

Ich wäre nur froh, wenn ich nicht der Protagonist wäre.